Unbekanntes Slawonien
6. April 2018
Wer kennt schon Slawonien, den nordöstlichen Teil Kroatiens?
Wir sind hier, um ihn zu entdecken!
Zuerst fallen uns die unvollendeten und zerfallenden Gebäude auf.
Einige alte Blockhäuser wurden mit Lehm verputzt, der heute meist abbröckelt und so die Sicht auf die Konstruktion freigibt.

Altes Blockhaus in Donja Stupnica
Viele Backsteinhäuser sind unverputzt und doch bewohnt.

Die Hausnummern sind manchmal mit Farbe direkt auf die Steine gepinselt.

Selbst die Kapelle von Unčani steht noch im Backsteinkleid da. Lediglich der Turm wurde mit Mörtel versehen.
Was andernorts irritieren würde, ist in dieser Umgebung durchaus stimmig.

Kapelle in Unčani
An einigen Häusern sind noch immer die Spuren des Jugoslawienkrieges (1991-1995) zu sehen.

Einige total zerstörte Gebäude stehen in Dvor wie Mahnmale an der Strasse.

Häuserzeile in Dvor
In Unčani lässt uns ein neuer Carport mit einem alten Traktor schmunzeln. „Wenn die Zeiten besser sind, werde ich einen Ferrari beherbergen!“, scheint er zu träumen.

Träge fliesst die Una zwischen Kroatien und Bosnien und Herzegowina. Sie interessiert sich nicht für Gebäude und gewesene Kriege.
… vom Himmel zur Erde zum Bach zum Fluss zum Meer zum Himmel … ist ihr Mantra.

Una bei Hravatska Kostajnica
Auch die Störche, eben erst aus Afrika zurückgekehrt, konzentrieren sich auf den Nestbau. Sie wollen ihrem Nachwuchs einen guten Start ins Leben ermöglichen.

Storch (Ciconia ciconia) in Uštica

Slawonien ist ein Teil der pannonischen Tiefebene.
Das Regenwetter der letzten Wochen hat die Bäche und Flüsse anschwellen lassen. Kein Wunder, wappnet man sich mit Tausenden von Sandsäcken gegen drohende Überschwemmungen.

Save bei Uštica
Ein markantes Monument aus Beton weckt unsere Neugier. Was das wohl ist? Wir verlassen die Strasse und fahren hin.

„Steinerne Blume“ von Bogdan Bogdanovic in Jasenovac
Hier liegt die Gedenkstätte des Konzentrationslagers Jasenovac. Von den Gebäuden ist nichts mehr zu sehen. An den jeweiligen Stellen wurden Hügel aufgeschüttet. Eine metallene Karte gibt einen Überblick.

Karte des ehemaligen KZ Jasenovac
Das Monument von Bogdan Bogdanović, das an eine Lotusblüte erinnert, ist begehbar.

Drohend hängt die Betonmasse über uns. Auf Eisenbahnschwellen, über die einst die Häftlinge in das KZ gekarrt wurden, steht eine Strophe des Gedichts „Das Massengrab“ von Ivan Goran Kovačić:

Das lange Gedicht schildert auf erschütternde Weise die Gräueltaten, die hier verübt wurden.
Einer der Züge, in denen vor allem Serben, Roma und Juden deportiert wurden, steht mahnend auf dem Gelände.

In solchen Güterwagen, die Fenster mit Stacheldraht vergittert, wurden die dem Tode geweihten Menschen hierher gebracht.

Das Museum des KZ Jasenovac klärt auf, dass hier im Zweiten Weltkrieg von der kroatisch-faschistischen Ustascha 81’998 Menschen umgebracht wurden. 46’689 davon waren Serben. Die unmenschliche Statistik zeigt weiter, dass rund ein Viertel der Opfer, nämlich 20’038, Kinder waren.
Das Lager wurde auch „Auschwitz des Balkans“ genannt und war eines der grössten in Europa und das einzige, in dem ohne Beteiligung von Nazi-Deutschland gemordet wurde. Es gab hier keine Gaskammern, die meisten Opfer wurden mit Beilen oder Messern einzeln und „eigenhändig“ abgeschlachtet.
Wenn man das Museum verlässt, läuft man direkt an das Kunstwerk von Dušan Džamonja. Die stilisierten Knochen in Ketten lassen uns erschaudern.

Doch auch auf diesem Gelände dreht sich die Welt weiter. Im Teich schwimmt, an einen Ast geklebt, Froschlaich. Die Kaulquappen sind bereits gut zu sehen und werden ihre Eier schon bald verlassen.

Wir fahren weiter und sehen in beinahe jedem Dorf, dass aus dem zweiten Weltkrieg (1939-1945) nicht viel gelernt wurde. Diese Schäden an Häusern und Kirchen stammen aus dem Jugoslawienkrieg (1991 – 1995).

Kirche in Medari

Haus in Trnava

Bei Blažević Dol fahren wir für die Nacht in den Wald. Dieser Tag muss erst einmal verdaut werden!
Link zur heutigen Strecke:
Schraube gefunden!
7. April 2018
Am Morgen begrüsst uns eine Nachtigall mit ihrem abwechslungsreichen und ausdrucksstarken Gesang.
Nach dem Frühstück sieht Beat, dass das Rad hinten rechts an unserem NOBIS nur noch wenig Luft hat.
Wir fahren nach Rešetari: bei einer Waschanlage mit Reifenservice halten wir an. Der Inhaber kann uns zwar den Reifen nicht flicken, aber er pumpt ihn auf und beschreibt uns den Weg zu einer Werkstatt nur wenige Kilometer weiter.
Diese Garage repariert zwar Autos, aber ebenfalls keine Reifen. Doch der nette Besitzer deutet uns mit der Hand, ihm zu folgen, steigt in sein Auto und führt uns zu einem „Vulkanizer“.
In der Werkstatt sitzen drei Männer beim Bier. Einer erhebt sich, als wir eintreten. Er scheint der Chef zu sein. Eine gemeinsame „Sprechsprache“ finden wir nicht. Aber wir erklären ihm gestenreich, dass der vollgepumpte Reifen hinten rechts eigentlich platt sei.
Er versteht und nimmt sich der Sache an. Schnell findet er die Schraube, die im Gummi steckt und nach einer guten Stunde (das Bier darf ja nicht warm und die Kumpels wollen zwischendurch unterhalten werden) ist unser Reifen wieder geflickt und montiert.

Unser NOBIS beim „Vulkanizer“
Wir fahren durch unzählige Strassendörfer. Links und rechts der Fahrbahn liegt jeweils ein Wiesenstreifen, durch den sich ein Entwässerungsgraben zieht. Die Häuser sind über eingedolte Zufahrten mit dem Auto erreichbar. Meistens dienen diese asphaltierten Übergänge auch gleich als Parkplatz.

Stari Slatinic

Trajani
In Privlaka finden wir auf einer Flurstrasse am Waldrand einen ruhigen Übernachtungsplatz. Den Mann, der vorfährt, um leere Düngersäcke mit Walderde zu füllen, scheinen wir nicht zu stören. Er winkt freundlich als er mit seiner Ladung wieder wegfährt.
Link zur heutigen Strecke:
Von Stadt (Vukovar) und Naturpark (Kopački rit)
8. April 2018
Wir sind auf dem Weg nach Vukovar.
Immer noch faszinieren uns die Strassendörfer in dieser Ebene. Einige nutzen den Raum zwischen Gehsteig und Wassergraben, um einen kleinen Garten anzulegen. In Privlaka gefällt uns der Kontrast zwischen einem alten Haus und blühenden Bäumen, Sträuchern und Blumen besonders gut.

Frühlingsidylle in Privlaka
In Stari Jankovci stoppen wir bei einer Kirche ohne Turmspitze. Der alte, marode Aufbau steht daneben auf dem Boden und dient als Vorlage.

Links die alte, rechts die neue Kirchturmspitze
Beim Gotteshaus daneben kann man sehen, wie das Endprodukt in etwa aussehen wird.

In Vukovar parken wir auf dem Platz, den unser Navi zum „Stadtzentrum“ auserkoren hat. Von dort spazieren wir zwischen den Häusern und anschliessend durch eine kleine Schlucht ans Ufer der Donau.

Eindrückliches Wandbild in Vukovar
Beat grüsst mit einem freundlichen „Dobar dan“ ein Ehepaar, das mit seinem Hund unterwegs ist. Die Frau fragt ihn etwas auf Kroatisch, er muss Farbe bekennen und gestehen, dass er nichts versteht. Nun plaudern wir kurz auf Englisch, aber als die Leute erfahren, dass wir aus der Schweiz kommen, wechseln sie auf Deutsch. Die Familie von Ivan stammt ursprünglich aus Deutschland. Marija hat die Sprache ihm zu liebe gelernt. Wir unterhalten uns sehr nett mit ihnen und sie bitten uns, sie auf ihrem Spaziergang zu begleiten.
Bei einem Restaurant laden sie uns auf einen Kaffee ein. Wir diskutieren angeregt über die wirtschaftliche Situation Kroatiens, Krieg, den Lauf der Welt, Hunde, Viersprachigkeit der Schweiz, Sehenswertes in Vukovar…. sie verabschieden sich nur ungern von uns, sie müssen weiter, weil sie sich mit Freunden verabredet haben.
So spazieren wir alleine weiter.
Die moderne Fassade des Steueramtes spiegelt das historische Grand Hotel Radnički dom ebenso wie einen modernen Wohnblock.

Die Osterfeiertage sind vorbei, doch ein Riesenei wurde noch nicht weggeräumt, das vier Künstler 2009 bemalt haben.





An der Brücke über die Vuka ist der Boden eingebrochen und das Geländer notdürftig mit Holzstützen gesichert.

Brücke über die Vuka
Erst auf den zweiten Blick sehen wir, dass sich hier der Künstler Filip Mrvelj einen Streich erlaubt hat und wir gelangen trockenen Fusses über das Wasser auf die andere Flussseite.
Dieses Kunstwerk beeindruckt die Spatzen, die von einem stehenden Armierungsnetz herab die Welt betrachten, nicht im Geringsten.

Auch das mondäne Schloss Eltz reisst sie nicht vom Hocker … ähm … von der Stange.

Schloss Eltz in Vukovar
Die schöne Promenade der Donau entlang wollen wir nicht auch noch bevölkern.

Donau in Vukovar
Deshalb drehen wir um und spazieren zwischen den Häusern zurück zu unserem NOBIS. Auch auf diesem Weg begegnen wir einigen Trouvaillen der Schmiedekunst und der Malerei.

Türklopfer am Schloss Eltz

„Bloomorphosis“ von Juandres Vera
In Borovo Naselje bilden ein modernes Industriegebäude und der zerschossene Betonturm, der seinen Schatten auf die bunt bemalte Fassade wirft, ein Bild von grosser Symbolkraft.

Auch Osijek lädt zu einem kurzen Spaziergang ein.
Die Menschen geniessen in den Strassencafés die ersten wärmenden Sonnenstrahlen dieses noch jungen Frühlings.

Platz der Heiligen Dreifaltigkeit
Eine Familie lässt sich von einer Nonne vor der berühmten „Säule der heiligen Dreifaltigkeit“ ablichten.

Säule der Heiligen Dreifaltigkeit in Osijek

Heilige Dreifaltigkeit
Doch nun haben wir genug Stadt gesehen. Es zieht uns wieder hinaus in die Natur. Wir fahren in den nahen Naturpark Kopački rit, der an der Grenze zu Serbien und Ungarn liegt.
Auf den noch kahlen Bäumen direkt am Wasser hocken unzählige Kormorane.

Auch zwei Fischer wollen sich ihre Mahlzeit aus dem seichten Gewässer sichern.

Viele schön angelegte Holzstege führen durch das mit Teichen durchsetzte Ried.


Von hier lassen sich Fische, Amphibien, Vögel und Insekten beobachten.

Seefrosch (Pelophylax ridibundus)
Natürlich lohnt sich auch ein Blick nach oben. Auf den Bäumen wachsen viele Misteln.

Kugelige Weissbeerige Mistel (Viscum album)
Obwohl das Abendlicht am Ribnjak zum Verweilen lockt, fahren wir noch einige Kilometer und übernachten erst ausserhalb von Tvrđavia.

Ribnjak
Link zum Spaziergang durch Vukovar: Da auf “google maps” ein Teil des Weges fehlt, haben wir dort eine ungefähre Strecke in die Karte gezeichnet.
Link zur Wanderung durch den Naturpark Kopački rit: Da auf “google maps” ein Teil des Weges fehlt, haben wir dort eine ungefähre Strecke in die Karte gezeichnet.
Link zur heutigen Strecke: