Zweite Hälfte November 2014
Auf den Azoren läuft die Zeit langsamer als anderswo.
Annette fragte den Bauern, ob wir ihn beim Pflügen fotografieren dürften. Sie erklärte ihm, dass es in der Schweiz nicht so fleissige Esel gebe wie hier auf Graciosa. Der Landwirt war sichtlich stolz, fotografiert zu werden, der Eselin dagegen schien das ganze Getue egal zu sein. Vielleicht ist sie es aber nur nicht gewohnt, Gefühle offen zu zeigen.
Wir nutzten einen schönen Novembertag und fuhren über die Serra Branca an den alten Fischerhafen Porto Afonso und weiter zum Leuchtturm Ponta da Barca.
Die meisten Wiesen und Äcker sind mit schwarzen Lavasteinen eingefasst. Dieses Landschaftsbild ist typisch für Graciosa. Schwarz umrahmte saftige, grüne Wiesen, dahinter das blaue Meer … da kommt unweigerlich Ferienstimmung auf.
Ganz anders die Kulisse im alten Fischerhafen Porto Afonso. Hier dominieren warme Braun- und Rottöne.
Der Vulkan, der die Insel erschuf, legte bei mehreren Ausbrüchen verschiedene Schichten aufeinander.
Der Hafen wird kaum mehr genutzt. Die Bootsunterstände sind in den Fels gehauen und stehen heute meist leer; Zeugen vergangener Zeiten.
Trotz den Zeichen des Verfalls oder gerade deswegen verweilten wir hier länger als geplant. Die leuchtenden, von der Sonne gewärmten, roten Felsen, die Holztore, die von Wind und Wetter erzählen, sowie das Meer, das unablässig gegen die Felsen schlägt, schaffen eine einmalige, beinahe mystische Stimmung, der man sich nur schwer entziehen kann.
Auf der Fahrt gegen Westen grüsste uns schon von weitem der Leuchtturm (farol) von Ponta da Barca.
Jeden Mittwoch Nachmittag werden Führungen angeboten.
Trotz Satellitennavigation und Radar haben Leuchttürme nach wie vor ihren Platz in der Seefahrt. Sie dienen den Schiffen bei Ausfällen der Elektronik oder Stromversorgung als verlässliche Fixpunkte.
Die meisten Leuchttürme auf den Azoren sind bewartet. Die „faroleiros“ arbeiten jeweils während vier Jahren an einem Ort und werden dann auf eine andere Insel, auf einen anderen Leuchtturm versetzt. Das ist vor allem für die Kinder ein Problem, die sich alle vier Jahre einen neuen Freundeskreis aufbauen müssen.
Wir lernten, dass das drehbare Leuchtelement auf flüssigem Quecksilber gelagert ist. Das leiert nicht aus und garantiert, dass das Licht immer horizontal ausgesendet wird. Die geschwungenen Fresnel-Gürtellinsen sind aus Kristallglas gefertigt und bündeln das Licht, damit ein einziger Strahl weit aufs Meer hinaus leuchtet.
Tagsüber müssen die Fenster mit Vorhängen abgedeckt werden, da sonst die Sonnenstrahlen durch diese Linsen auf einen Punkt in der Leuchte konzentriert würden und alles zum Schmelzen brächten.
Nachdem wir die blitzblank geputzten, glänzenden Armaturen und die Aussicht über das Meer und die Insel genügend bewundert hatten, stiegen wir die Wendeltreppe wieder hinunter.
Der freundliche und humorvolle Führer hat sich viel Zeit genommen. Er erzählte uns allerlei Wissenswertes und beantwortete geduldig alle unsere Fragen. „Muito obrigado!“
Wieder draussen begrüssten wir die „Baleia“, ein Wahrzeichen von Graciosa.
Beharrlich liegt dieser steinerne Wal vor der Küste. Es scheint als würde die Insel ihn daran hindern weiter zu schwimmen. Seit Jahrhunderten wartet der Koloss vergeblich darauf, dass sie ihm den Weg frei gibt.
Link zum Ausflug: Serra Branca – Porto Afonso – Ponta da Barca: