Spuren des Vulkanausbruchs von 1973
19. August 2017
Der Himmel ist wunderbar klar und wir wären bereit zur Überfahrt nach Heimaey, die einzige bewohnte der 15 Westmänner-Inseln. Doch leider ist die Fähre ausgebucht und wir haben erst für 14:45 Uhr Tickets erhalten.
Doch Annette ist hartnäckig. und lässt die Dame am Schalter wissen, dass wir bereit wären sofort auf die nächste Fähre zu fahren, die um 12:45 Uhr ablegt.
Ab 12:15 Uhr treibt sie sich vor den Ticketschaltern herum. Und tatsächlich! 10 Minuten vor Abfahrt wird sie an den Schalter gerufen und erhält neue Tickets. Beat hat am Steuer des Wohnmobils gewartet und fährt auf ein Zeichen von ihr sofort los.
Vulkanausbruch
In der Nacht vom 23. Januar 1973 öffnete sich unmittelbar hinter dem Dorf Heimaey eine lange Erdspalte, aus der Dutzende Lavafontänen schossen, zum Teil mehrere hundert Meter hoch und über 1000°C heiss. Mehr als 5000 Menschen wurden innert kürzester Zeit evakuiert.
Ein Teil des Dorfes wurde von der Lava verschüttet, viele Häuser wurden durch herunterstürzende, glühende Brocken beschädigt und brannten aus.
Die Hafeneinfahrt von 800 Metern Breite verengte sich zusehends, da sich die glühende Schmelze zeitweise mit 30 Metern pro Stunde voranschob. Sie drohte die Zufahrt zum Hafen zu blockieren. Ohne diesen (einen der wichtigsten Fischereihäfen Islands), hätte das ganze Dorf und damit das Leben und Arbeiten auf der Insel aufgegeben werden müssen.
Mit dem Mut der Verzweiflung wurde aus Wasserkanonen Meerwasser auf den Lavastrom gespritzt, in der Hoffnung diesen abzukühlen und umzulenken. Und das Unglaubliche gelang!!
Heute ist die Einfahrt noch 200m breit und das Hafenbeckens besser geschützt als zuvor.
Die Auswirkungen der Katastrophe von 1973 sieht man auch heute noch überall. Die ausströmende Lava vergrösserte die Insel um 2,2 Quadratkilometer.
Wir fahren auf die Ostseite der Insel, auf das „neue“ Land.
Der Leuchtturm steht hier auf zwei Stützen über der erkalteten Schmelze.
Ein Motocrossfahrer nutzt diese unwirtliche Ecke als Trainingsstrecke.
Nur 15 Jahre nach dem Vulkanausbruch, begann das Ehepaar Gauja und Elli in einer geschützten Mulde, in der lediglich Steine und Schlacke lagen, eine kleine Oase anzulegen.
Heute findet man hier etwa 700 verschiedene Pflanzenarten.
Wir wandern auf den Vulkan Eldfell (Feuerberg), der 1973 entstand und einen Teil der Insel verwüstet hat.
Annette wählt den direkten Weg, während Beat den gemächlicheren Pfad unter die Füsse nimmt.
Die Auswirkungen der Katastrophe führen die folgenden zwei Bildern vor Augen.
Auf dem alten Bild sieht man die breite Hafeneinfahrt und einen Teil des Dorfes.
Auf unserem Foto, vom Eldfell aus aufgenommen, ist die Hafeneinfahrt viel schmaler und ein Teil der Häuser von der Lava zugedeckt.
Wir sehen von oben auch, wie das scharfkantige rotschwarze Gestein von ersten Moosen und Flechten bewachsen wird.
Auf dem unteren Bild erkennt man drei Bodenformen: das rote Geröll des Eldfell, der mit Moos überzogene Lavaschutt und eine Wiese, die vom Vulkanausbruch verschont blieb.
Nun wandern wir wieder hinunter zu unserem NOBIS, den wir mitten in der Wüste geparkt haben. Es ist ein eigenartiges Gefühl, auf Boden zu wandern, der jünger ist als wir.
Auf einem Picknickplatz mit Blick auf die Insel Elliðaey und die „Nordinsel“, wie Island hier genannt wird, kochen wir unser Abendessen.
Die gegrillten Lammsteaks mit Kartoffelpüree und Fenchel schmecken vorzüglich.
Zur Nachspeise gibt es mit Orangenschokolade gefüllte Bananen, ebenfalls vom Grill.
Ja, wir schlemmen wie Gott in Island!
Hier ist es so schön, dass wir auf dem Parkplatz daneben die Nacht verbringen.
Link zur Wanderung auf den Eldfell: Da auf “google maps” der Weg fehlt, haben wir eine ungefähre Strecke in die Karte gezeichnet.
Auf den Heimaklettur
20. August 2017
Unten im Dorf sehen wir eine Fototafel mit der Mole, die den Hafen vor hohen Wellen schützen sollte und die bis 1973 offen ins Meer hinausragte. In der Verlängerung stand das runde Speicherbecken für Trinkwasser, das Schwimmbad und ein Teil des Dorfes.
Beim letzten Vulkanausbruch wurden diese Häuser mit Lava zugedeckt. Erst beim Wasserspeicher konnte die feurige Masse gestoppt werden.
Die Hafenmole wurde meerseits mit Lava aufgefüllt. Darauf steht heute eine schöne Stabkirche im alten, norwegischen Stil.
Auf einem der Bilder in der Kapelle sieht man Jesus im Boot stehen und dem Sturm auf dem See Genezareth Einhalt gebieten. Der Berg im Hintergrund erinnert an einen schneebedeckten Vulkan.
Für heute haben wir genug von der traurigen Geschichte Heimaeys gesehen.
Wir fahren ans Südende der Insel. Vor uns liegen nur noch einige kleine, unbewohnte Eilande.
Doch auch hier kann man die Vulkanausbrüche nicht vergessen.
Surtsey, eine der Inseln, entstand von 1963 bis 1967. Bereits 1965 wurde sie zum Naturschutzgebiet erklärt. Seither beobachten Forscher, wie Pflanzen und Tiere neuen Lebensraum besiedeln.
Seit 2008 gilt sie als UNESCO-Welterbestätte.
Wieder zurück im Dorf fahren wir auf die Landzunge hinter dem Hafen. Dort entdecken wir ein steinernes Töpfchen mit Sitzlehne auf dem Kiesstrand. Vermutlich haben wir die Elfenmama beim Leeren gestört. Darum hat sie es kurzerhand stehen lassen und ist ins Meer geflüchtet.
Dort wartet sie, als Klippe getarnt, bis wir wieder verschwinden.
Das tun wir bald und wandern kraxeln auf den Heimaklettur, mit 283 Metern der höchste Berg der Insel.
Es geht gleich abenteuerlich los. Über mehrere Holzleitern klettern wir über das erste Felsband. Die Passagen dazwischen sind mit Ketten gesichert.
Oberhalb der Felswand führt der schmale Pfad über eine abschüssige Wiese hinauf zum Gipfel..
Den Blick hinunter auf die Stadt teilen wir mit einem Papageientaucher.
Bei schönstem Sonnenschein geniessen wir die Sicht über die Westmänner-Inseln.
Wieder unten fahren wir nochmals zum Übernachtungsplatz von gestern.
Link zur Wanderung auf den Heimaklettur: Da auf “google maps” der Weg fehlt, haben wir eine ungefähre Strecke in die Karte gezeichnet.
Eldheimar, ein Museum, das unter die Haut geht
21. August 2017
Die jüngere Vergangenheit dieser Insel lässt uns nicht mehr los.
Wir spazieren durch das Lavafeld, das man auf Isländisch „Hraun“ nennt (und „Chröin“ ausspricht). Nun forstet man diese Öde gezielt auf.
Einem Eissturmvogel scheint es hier zu gefallen. Zufrieden sitzt er im weichen Moos und lässt sich von uns nicht stören.
Der junge Wald wird von einem Lavamonster bewacht.
Eine Steintafel erinnert daran, dass genau hier unter dem Lavaschutt ein Haus steht.
Das herausgeputzte Heimaey leuchtet in der Sonne hinter dem Lavafeld hervor. Es zeugt vom Überlebenswillen der Insulaner, die sich von dieser Katastrophe nicht aus ihrer Heimat vertreiben liessen.
Mitten im Forst wurde ein lauschiger Picknickplatz mit Feuerstelle angelegt. Leider ist er total verdreckt.
Uns stört das und wir schaffen den Müll weg.
Seit wir unserwegs sind, sammeln wir an jedem Platz, an dem wir kostenlos übernachten können, herumliegenden Abfall ein, als kleines Dankeschön!
Der Vulkan stiess auch Unmengen von feiner Asche aus. Einige der Häuser stürzten unter diese Last ein.
Der Friedhof war fast zwei Meter hoch mit Asche zugedeckt. Lediglich der Torbogen mit der Aufschrift „ÉG LIFI OG ÞÉR MUNUD LIFA“ (Ich lebe und ihr sollt auch leben) ragte noch aus dem schwarzen Staub.
In mühsamer Handarbeit wurden die Grabstätten wieder von der Asche befreit.
Insgesamt wurden 240 Mio. Kubikmeter Lava, Asche und Bimsstein ausgestossen. Rund 400 der 1300 Häuser wurden verschüttet, weitere 400 stark beschädigt.
Wie durch ein Wunder gab es nur ein einziges Todesopfer zu beklagen.
Zum Abschluss besuchen wir das Museum „Eldheimar, Pompeii des Nordens“.
Vor dem Museum steht, sozusagen als Vorgeschmack, ein kleines, teilweise freigeschaufeltes Haus.
Das Ausstellungsgebäude wurde über einem ausgegrabenen Haus errichtet.
Man erfährt viel über den Vulkanismus auf Island, die Entstehung und Entwicklung der Insel Surtsey und den Ausbruch auf Heimaey. Beide Ereignisse sind in einem eindrücklichen Film dokumentiert.
Die Geschichte dieser Insel beschäftigt uns so sehr, dass wir ihr in unserem Reiseblog viel Platz eingeräumt haben.
Doch nun wenden wir uns wieder der Gegenwart zu.
Draussen wartet ein roter Kater, der unbedingt gestreichelt werden will, was Annette liebend gerne übernimmt.
Am Abend verlassen wir Heimaey wieder. Auf einem der Hafengebäude spielt ein Kind mit einem Schiff.
Heimaey hat eine Zukunft!