Von Wanderschuhen, die ohne Füsse auf Reisen gehen!
18. Juli 2014
Heute setzten wir unsere Reise fort. In Sorsele, beim Bahnhofplatz, hielten wir an, um unseren Frischwassertank zu füllen. Annette öffnete die Hecktüre, um den Kanister herauszuholen und ihre Wanderschuhe zu versorgen.
Danach fuhren wir nach Arvidsjaur, wo wir Verschiedenes erledigten. Dann weiter durch Gullön Richtung Bergnäs Kyrka.
„Meine Wanderschuhe!“ rief Annette plötzlich. „Ich habe meine Wanderschuhe in Sorsele vergessen.“ Ein Blick in den Heckraum bestätigte ihre Befürchtungen.
Wir fuhren die ca. 80 km zurück um die Schuhe, die auf dem Platz liegen geblieben waren, zu holen. Wer schon einmal im Norden Schwedens war, weiss, dass hier kaum je etwas gestohlen wird.
Umso grössere Augen machten wir, als die Schuhe nicht mehr auf dem Platz lagen. Wir suchten die Umgebung und alle umliegenden Abfalleimer ab … nichts!
Ein Wohnwagen mit einem Schweizer Kennzeichen stand nahe der Stelle, wo Annette die Schuhe hingestellt hatte. Wir fragten die Familie, ob sie etwas über herumliegende Wanderschuhe wisse. Wir hätten sie vor ca. fünf Stunden hier vergessen.
Sie sagten uns, dass ihnen diese Schuhe tatsächlich aufgefallen seien, die hätten lange dort gelegen. Aber keine zwei Minuten bevor wir auf den Platz gefahren seien, hätte eine junge Frau die Schuhe eingepackt. Sie sei (in Begleitung einiger Männer) mit einem schwarzen VW Sharan mit lettischer Autonummer Richtung Süden gefahren.
Wir hatten keine Hoffnung mehr die Schuhe je wieder zu sehen!
!!! Frust !!!
Da hat Annette endlich einmal Wanderschuhe, die an ihre Füsse passen und nun sind die weg!
Wir versuchten das Unmögliche, denn: die Hoffnung stirbt zuletzt, und fuhren auf der Hauptstrasse südwärts. Keine 500 Meter weiter sahen wir auf einem Parkplatz hinter einem Gebüsch ein schwarzes Auto stehen.
Wir biegen ab … ein VW mit einem lettischen Nummernschild! Drei Männer und eine Frau sitzen im Wagen, bereit zur Abfahrt.
Annette springt vom Beifahrersitz und geht schnurstracks auf sie zu. Da ihre Kenntnisse der lettischen Sprache gegen Null tendieren, versucht sie es auf Englisch, und zeigt gleichzeitig (doppelt genäht hält besser) auf ihre Füsse.
Und sie hat Erfolg!! Mit einem „Sorry, sorry“ rücken die Letten die Schuhe heraus.
Für Leute, die nicht gerne so lange Geschichten lesen, haben wir die Story in Bilder übersetzt. (Anmerkung der Redaktion: Es handelt sich um Symbolbilder. 😉
Nach dieser Aufregung bedankten wir uns bei der Schweizer Familie für den Tipp.
Dann fuhren wir, auf der Suche nach einem Übernachtungsplatz, weiter.
Unterwegs sahen wir Unglaubliches:
Auf einer Naturstrasse voller Schlaglöcher schaukelten wir auf den Nalovardo. Der Himmel verdüsterte sich zusehends. Trotzdem wagten wir einen Spaziergang und wurden belohnt. Auf dem Gipfel genossen wir die herrliche Aussicht auf den Vindelälven und und die umliegenden Berge. Die herrschende Gewitterstimmung liess alles noch viel eindrücklicher erscheinen.
Da wir am Morgen ausschlafen wollten, holperten wir wieder den Berg hinunter und fuhren zum Storforsen am Laisälven, wo wir einmal mehr einen sagenhaft schönen Übernachtungsplatz ….
Kanutrip
19. Juli 2014
Kurz nach dem Mittag hatten wir uns mit Frederik verabredet. Wir wollten uns in die Geheimnisse des Kanufahrens einweihen lassen. Frederik zeigte uns kurz die wichtigsten Handgriffe und Tricks, dann ging es auch schon los.
Er begleitete uns ein kurzes Stück und schon legten wir wieder an. Bei einer Goldwäscherin und Künstlerin bekamen wir Kaffee und frische Waffeln serviert. Sie betreibt im Sommer in einem Partyzelt DEN Treffpunkt des Tals. Damit bei Regen das Wasser sicher vom Zelt rinnt, hat sie auf dem Tisch einige Besen verkehrt herum aufgestellt, die die Plane nach aussen drücken.
Danach besuchten wir ihren „Zoo“. Sie baut aus „Kaninchenstall-„Gitter allerlei Tiere. Von der Ameise bis zum Elch und stellt diese dann zum Verkauf aus.
Dann verabschiedeten wir uns von Frederik und paddelten alleine den Laisälven hinunter. Er hatte uns einen Kartenausschnitt mitgegeben, damit wir den einsamem Sandstrand, der versteckt an einem Seitenarm liegt, finden konnten. Dort legten wir eine Pause ein.
Zum Weiterfahren wechselten wir die Position, denn wir hatten gelernt: der Vordere ist der Motor und der Hintere bestimmt den Kurs.
In unserem Fall war das nicht so wichtig, denn unser Ziel war eine Brücke und die lag flussabwärts.
Dort gingen wir an Land.
Die rund 10 km lange Paddelstrecke den Fluss hinunter, der hier kaum Strömung aufweist, war für uns Greenhörner ohne jegliche Paddelerfahrung eine körperliche Herausforderung.
Diese mehrstündige Paddeltour in unberührter Natur war für uns ein unvergessliches Erlebnis:
Diese Stille, das lautloses Dahingleiten, das glasklare Wasser, die Vögel, die ungewohnte Perspektive …
Danach fuhren wir mit dem Wohnmobil den Laisälven hinauf und fanden (Frederiks Tipp) einen sensationellen Übernachtungsplatz!
Link zur Paddeltour auf dem Laisälven:
Hier wären wir gerne länger geblieben, wenn nicht …
20. /21. Juli 2014
Dieser Standplatz … alleine für uns … phantastisch!
Schade, dass uns ein Defekt von diesem idyllischen Ort vertrieb.
Am Sonntag Abend liess sich die Hecktüre unseres Peugeot Boxers nicht mehr öffnen. Wir kamen deshalb nicht mehr an einen Teil unserer Ausrüstung heran und konnten dort auch nichts mehr verstauen. Da bei den heutigen intelligenten Autos ja ein Problem immer auch mehrere andere nach sich zieht, liess sich keine der Türen mehr verriegeln. Das war an diesem einsamen Platz kein Problem. Trotzdem ärgerten wir uns und beschlossen gleich morgen Montag eine Garage aufzusuchen, um das Problem beheben zu lassen.
Nach dem Frühstück fuhren wir nach Arjeplog in eine Garage. Der Garagist empfahl uns eine Peugeot-Garage aufzusuchen, da dies ein Garantiefall sei. Er suchte uns die nächste Garage heraus. Die liegt in Öjebyn, ca. 20-22 schwedische Meilen entfernt, wie er uns mitteilte.
Beat freute sich, da für ihn eine Meile ca. 1.7 km ist. Der Garagist stellte jedoch richtig, dass eine schwedische Meile ca. 10 km seien.
In Öjebyn meinte Herr Lindberg, der Werkstattleiter der Peugeot Garage, dass man die ganze Schlossabdeckung von aussen her aufbrechen müsse, da man wegen des Ausbaus nicht an von innen an das Schloss heran komme. Sonst wäre die Reparatur kein Problem.
Er veranschlagte die Kosten auf ca. CHF 430.00. Eine Anfrage bei Peugeot Schweden ergab, dass wir die Reparatur selber bezahlen müssten, da nicht klar sei, ob der Schaden nicht durch das Ausbauen des Lieferwagens verursacht worden sei.
Wir beschlossen am nächsten Morgen mit der Firma, die das Wohnmobil ausgebaut hatte, Kontakt aufzunehmen, um das weitere Vorgehen zu diskutieren.
Link zur Strecke vom 21. Juli 2014:
Annette als Automechanikerin
22. Juli 2014
Am Morgen telefonierte Annette mit der WoMo-Firma. Ein Mitarbeiter gab ihr den Tipp, von innen irgendwie die Kunststoffabdeckung des Schlosses zu entfernen, die sei nur aufgesteckt und dann gebe es in der Türe ein Kabel, das man kräftig nach oben ziehen müsse, um die Türe von innen zu öffnen. Aber Achtung: es gebe dort auch ein Elektrokabel, an dem man auf keinen Fall reissen dürfe.
Das tönt relativ einfach, ist es aber nicht, wenn das Ganze nicht einsehbar hinter dem Innenausbau versteckt liegt, der nicht entfernt werden kann.
Der Garagist, Herr Lindberg, schaffte es mit seinen grossen Händen nicht auch nur an die Abdeckung zu gelangen.
Annette dagegen gelang es, die Verkleidung zu entfernen und und mit den Fingerspitzen das Kabel zu ertasten. Mit einem Draht und einer eingefädelten Schnur führte sie ein Klettband um das querlaufende Schliesskabel.. Dann zog sie das Kabel hoch und Beat rüttelte gleichzeitig von aussen an der Türe und siehe da … die Türe öffnete sich.
Annette trug einen blutigen Handrücken davon, der auch noch anschwoll.
Herr Lindberg freute sich riesig, dass es Annette gelungen war, dieTüre zu öffnen und er lobte sie sehr. Er habe nicht geglaubt, dass das gelingen könne. Nun konnte er den Schaden begutachten.
Ein Kunststoffteil war aus der Klemme gesprungen.
Natürlich geschieht das sonst nie. Peugeot baut ja nur perfekte Fahrzeuge. 😉
Trotzdem befestigte Herr Lindberg das Teil mit etwas Leim, damit es auch da bleibt, wo es hingehört – sicher ist sicher.
Wir waren froh, dass wir trotz allem Ärger so glimpflich davongekommen sind.
Danach besuchten wir, da wir ja schon mal in Öjebyn waren, die alte Stadt (Gamlastad).
Eines der Häuser, die vereinzelt noch bewohnt sind, konnte man besichtigen.

Kajütenbett von anno dazumal. Praktisch, wenn man unerwartet Besuch bekommt und das Bett noch nicht gemacht ist -> Türe zu.
Freiluftbadeanstalt nach schwedischer Art
23. Juli 2014
Auf dem Weg nach Jokkmokk sahen wir linker Hand einen imposanten Wasserfall.
Wir verliessen die Strasse und fuhren auf den Parkplatz des Storforsen (= grosse Stromschnelle) am Piteälven.
Kaum ausgestiegen fiel uns neben dem stattlichen Hotel ein Vogelhaus auf.
Wir wanderten neben den Stromschnellen flussaufwärts. Der Storforsen am Piteälven ist ein gewaltiges Naturspektakel. Hier fallen ca. 850 m³/s Wasser auf einer Länge von 600 Metern 50 Meter tief. (Zum Vergleich, Wassermenge des Rheinfalls im Sommer: ca. 700 m³/s)
Auf der linken Seite des Wasserfalls befindet sich der „Döda Fallet“. Dieser war früher ein Teil des Hauptflusses. Um das Flössen von Holzstämmen zu ermöglichen, wurden im Hauptbett Verbauungen angebracht und der Kanal wurde vertieft. Dadurch wurde ein Teil des Stromes abgetrennt. Ein kleiner Teil des Wassers fliesst seitdem über grosse geschliffene Felsplatten.
Bäche und Becken der verschiedensten Grössen und Tiefen bilden eine vielfältig „Naturbadi“
Holzstiege führen hindurch und einige Grillstellen und Picknickbänke laden zum Verweilen ein. Das reinste Ferienparadies, ideal für Familien. Kinder können im Wasser durch kleine ausgewaschene Felsrinnen rutschen und Jugendliche 5-6 Meter hoch vom Felsen ins Wasser springen.
Impressionen vom „Döda Fallet“:
Polarkreis überquert
24. Juli 2014
Auf dem Weg nach Jokkmokk überquerten wir den Polarkreis, der durch weisse Steine und dem Souvenirshop in der Verlängerung symbolisiert wird.
Für LeserInnen, die genauer wissen wollen, was es mit dem Polarkreis auf sich hat, haben wir die Infotafel fotografiert.
Etwas ausserhalb von Jokkmokk fanden wir in der Nähe eines Flusses „Lilla Lule Älv“ einen ruhigen Platz im Wald. Wie üblich mit Toilette, Entsorgungshäuschen und Feuerstelle mit Rost.
Wo liegt der schönste Platz am Wasser?
25. Juli 2014
Wir suchten den schönste Platz am Wasser. Deshalb studierten wir die Karte und fuhren nach Karats, einem Dorf am See, wo die Strasse endet.
Doch es gab dort nur Privathäuser und einen Wendeplatz mit Parkverbot.
Dann ging´s zurück an eine Kreuzung und weiter nach Vuojat, ebenfalls am See, ebenfalls Ende der Strasse und ebenfalls ein Wendeplatz mit Parkverbot.
Kurz nach dem Dorf sammelten wir Heidelbeeren. Beat in Shorts und ohne T-Shirt wird von den Mücken und Knots (kleine fliegende Blutsauger) beinahe aufgefressen. Es war wieder um die 30 °C heiss. Annette fand zudem einige Pilze (Heiderotkappen) für das Abendessen.
Dann fuhren wir im ersten und zweiten Gang einen sehr schmalen, holperigen Weg ca. 3-4 km weit an den Latunjaure. Zum Glück gab es keinen Gegenverkehr, den Kreuzen ist auf der ganzen Strecke nicht möglich.
Hier gab es am Ende der Strasse einen See, einen Wendeplatz und keine Häuser, dafür aber massenweise Mücken. Die sind noch abschreckender als ein Parkverbot.
An einem wackligen Steg lagen einige Boote. Der Blick auf den See mit seinen Inseln war wunderschön.
Wegen den Mücken verliessen wir diesen Platz wieder und fuhren zurück nach Dragnäs an „unseren“ Übernachtungsplatz.
Waschtag
26. Juli 2014
Heute fuhren wir nach Jokkmokk, um uns wieder einmal mit der grossen weiten Welt zu verbinden. Doch der Wetterbericht im Internet drohte mit Regenwetter. Deshalb fuhren wir sofort zurück, denn wir wollten noch Wäsche waschen.
Wir füllten unsere Hand-Waschmaschine sieben Mal. Zum Spülen wanderte Annette jeweils die 200 Meter zum Fluss und Beat drehte derweil fleissig an der Maschine und hängte die nasse Wäsche im Wald auf.
Nach diesem anstrengenden Tag gönnten wir uns ein feines Abendessen mit Steaks vom Grill.
Herrlich, jetzt seid ihr schon am Polarkreis vorbei. Daran erinnere ich mich noch soo gut. Nur war es damals bei uns nicht so warm. Wir haben beim Rauf die Schwelle auf einer Fähre überfahren und beim Runter dann auch da irgendwo, wo ihr jetzt seid. 🙂
Das Kanuabenteuer klingt ja unglaublich schön! Tolle Bilder!
Ich hoffe, die Türen werden sich weiterhin für euch öffnen – im wörtlichen und im übertragenen Sinn.
Vielleicht zum Trost: seit einigen Tagen herrscht hier eher trübes, regnerisches Wetter. Ideal um den Blog zu aktualisieren ;-}! Und heute besuchen wir das Sami- und Fjäll-Museum. Da kann uns das Wetter egal sein…
Danke für die schöne Metapher mit den Türen!