An der Treene
2. Juni 2014
Wir wollten unter dem Tisch einen Teppich einpassen lassen. Deshalb nahmen wir mit einer Polsterei Kontakt auf. Die Inhaberin erklärte uns, dass sie diesen Teppich frühestens in zwei Wochen anfertigen könne. Sie sei aber bereit, sich die Sache mal anzuschauen. So standen wir heute um 7:00 Uhr vor ihrem Geschäft in Kiel. Nachdem ihr Mann noch ein gutes Wort für uns eingelegt hatte, (die sind auf der Durchreise und haben keine Zeit) war sie dann doch bereit unseren Teppich in den nächsten Tagen zu fertigen.
Wir fuhren weiter Richtung Husum.
In der Nähe von Wohlde sahen wir eine Tafel, die den Weg zu einer Kanueinsatz-Stelle wies. Wir folgten dem Feldweg und fanden einen schönen, ruhigen Schlafplatz, nahe dem Fluss Treene, weit weg von allen Häusern. Am Abend begegneten wir einem Mann, der mit zwei grossen Hunden spazieren ging. Er erklärte uns, dass er aus der Stadt Hamburg hierher gezogen sei, da er den Lärm dort nicht mehr ertragen habe.
Wir hielten inne, lauschten und hörten …nichts, … einfach nichts, … absolute Ruhe!
Kein Strom!
3. Juni 2014
Am frühen Morgen fuhr ein Auto mit Anhänger neben unser WoMo, das vor einem Weidegatter stand. Annette stieg aus und erntete böse Blicke. Sie bot an, unser Gefährt zur Seite zu fahren. Die Stimmung des Bauern hellte sich augenblicklich auf und er meinte, dass er nur ein Mutterschaf mit seinem vier Tage alten Lamm zur Herde bringe. Dafür sei genug Platz da. Er öffnete die Heckklappe seines Kombis. Zwei Border-Collie Hündinnen sprangen heraus und rannten schnurstracks auf Annette zu um sich von ihr streicheln zu lassen. Aus dieser Begegnung entwickelte sich ein längeres, freundschaftliches Gespräch. Mit den Worten : „Komm, meine Liebe!“ holte er das Schaf aus dem Anhänger und brachte es mit seinem Lamm auf die Weide am Deich.
Wir lernten hier: willst du Menschen kennenlernen, fahre dahin, wo du meinst, weitab aller Menschen zu sein.
Später fuhren wir nach Husum. Auf einem grossen Parkplatz wollten wir an unserem Computer arbeiten. Doch… kein Strom! Der Stromwandler, der aus 12 Volt 230 Volt machen sollte, machte 0 Volt daraus, sprich: „dä gaht ja nümme, gopfertori!“ Da nützte die ganze schöne Solaranlage auf unserem Autodach nichts.
Es folgten Telefongespräche mit beinahe leeren Akkus. Die Werkstattleiterin der Firma Burow führte uns telefonisch auf die Fehlersuche. So lernten wir das Innenleben unseres Wohnmobils kennen, konnten aber den Fehler nicht finden. Die von der Sekretärin angegebenen Adressen und Telefonnummern waren alle wertlos. (Nummer existierte nicht mehr, Firma war rund 800 km entfernt, etc.)
Annette fand dann eine Wohnmobilfirma in Husum, die uns, es war inzwischen nach 16:00 Uhr geworden, den Schaden kurz vor Feierabend beheben konnte.
Danach fuhren wir wieder aufs Land und fanden einen schönen Platz am Rande des Naturerlebnisraums bei Hübbrück.
Husum
4. Juni 2014
Am Morgen spazierten wir durch den Naturerlebnisraum. Der Weg führte an einem Teich mit Fähre vorbei. Wir mussten natürlich sogleich übersetzen und genossen das Gefühl eine Fähre selber zu steuern. … Naja, … wenigstens selber zu ziehen.
Danach zurück nach Husum. Für den Bummel durch die Fussgängerzone des Städtchens hatten wir ja gestern keine Zeit gefunden.
Am Abend: wieder ab aufs Land. Wir fanden einen lauschigen Übernachtungsplatz bei einem Entwässerungskanal in der Süder-Marsch.
Ein Fischer erzählte uns, dass er hier schon einen soooo grossen Hecht gefangen habe. Beat bot ihm an, ihm seinen Fang für unser Nachtessen abzukaufen. Einige Zeit später schwang sich der Angler, ohne Fisch, auf sein Motorrad und fuhr weg.
Bei uns gab es dann Spargeln statt dem erhofften Fisch.
„Blanker Hans“
5. Juni 2014
Die ganze Nacht hatte es geregnet.
Wir fuhren weiter nach Büsum. Dort stellten wir uns zum ersten Mal auf einen offiziellen Wohnmobilstellplatz, zusammen mit gut 100 anderen Wohnmobilisten und einem Entenpaar.
Das Wetter blieb regnerisch und stürmisch. Also ideal für einen Besuch im Museum Sturmflutenwelt „Blanker Hans“. Die Ausstellung zog uns von der ersten Sekunde an in ihren Bann.
Wir haben noch selten eine so vielschichtige, spannende, informative, interaktive … und was der Adjektive mehr sind … Ausstellung gesehen.
Themen der Ausstellung sind: Piraten früher und heute; Sturmflut 1962; Küstensicherungen; wie entstehen Wettervorhersagen; Wetterphänomene (Tornados, Gewitter, etc.); Klimawandel und seine Folgen; wie entstehen Gezeiten; Ölförderung auf der einzigen deutschen Plattform im Wattenmeer (UNESCO-Weltnaturerbe); Problematik der Gewässerverschmutzung mit Plastik; etc.
Ein Beispiel für den interaktiven Aufbau des Museums: Wir „besuchten“ in Gruppen eine Kneipe von 1962. Die Wirtin plauderte mit uns, zeigte und erklärte uns dies und das. Plötzlich wurde die Fernsehsendung im uralten, flimmernden Schwarzweiss-Fernseher unterbrochen. Ein Sprecher warnte die Bevölkerung der Nordsee vor einer drohenden Sturmflut.
Die Wirtin bracht uns in Sicherheit und liess uns in Rettungskapseln einsteigen. Diese fuhren auf verschiedenen Ebenen mit viel „Gerüttel und Geschwanke“ durch Büsum von 1962, während draussen das Unwetter tobte und das Wasser anstieg. Dabei erhielten wir viele Informationen auf Schrifttafeln und Fotos ausserhalb der Kapseln und durch Lautsprecherdurchsagen.
Hier werden Geisterbahn und Informationen auf eine ausserordentlich unterhaltsame Weise verbunden.
Für uns ist ein Besuch des „Blanken Hans“, wenn man in dieser Gegend ist, ein absolutes Muss!
Hier der Link für Interessierte: www.blanker-hans.de
Danach flanierten wir durch Büsums Fussgängerzone, eine gesichtslose Touristenmeile.
Wattenmeer
6. Juni 2014
Am Mittag nahmen wir in Büsum an einer zweistündigen Wattführung mit einem Biologen teil.
Wir lernten den Unterschied zwischen Ebbe und Flut kennen (Flut ist die Zeitspanne zwischen Niedrig- und Hochwasser. Der Ausdruck wird häufig fälschlicherweise nur für den Hochwasserstand verwendet.). Wir erfuhren, dass das Wandern in der Watt sehr gefährlich werden kann, da man bei Niedrigwasser rund 8 km auf das Meer hinauslaufen kann und über die kleinen Bächlein (genannt Priele), die das Watt durchziehen, gut rüberkommt. Dann aber mit Einsetzen der Flut, schwellen diese Rinnsale stark an und ein Durchqueren wird unmöglich und man gerät in Seenot. Dann gibt es drei Möglichkeiten:
1. man kann gut schwimmen und schafft die paar Kilometer bis ans Land
2. man hat Glück und wird von der Küstenwache oder einem Fischer gerettet
3. man ertrinkt
Das UNESCO-Naturerbe Wattenmeer erstreckt sich über ca. 1´000 km von Dänemark über Deutschland bis nach Holland. Der abtrocknende Teil ist bis ca. 8 km breit. Das Wattenmeer entsteht durch eine flache Küste und einer Tidenhöhe (Höhenunterschied zwischen Niedrig- und Hochwasserstand) zwischen 1.8 und 4 m. Ist die Tide kleiner, verlandet die Küste, ist sie höher, schwemmt es den Sand weg.
Wir gruben Wattwürmer aus, die rund 15 cm lang und ca. 2 cm dick werden. Wattwürmer sind keine Würmer, die zum Atmen Sauerstoff aus der Luft benötigen, sondern Meeresbewohner, die durch Kiemen (büschelartige Ausstülpungen) atmen. Sie leben ca. 25 cm. tief im Sand und ernähren sich von Kieselalgen.
Vogelattacke am Eidersperrwerk!
7. Juni 2014
Nun hatten wir genug vom „WoMo-Stellplatz-Ghetto“. Der Platz hat eine ausgezeichnete Infrastruktur, ist zentrumsnah und ruhig gelegen.
Aber … WoMo, freier Platz für den Tisch und die Liegestühle, neben WoMo, freier Platz für den Tisch und die Liegestühle, neben WoMo, freier Platz für den Tisch und die Liegestühle, neben …, das ist nicht gerade das, was wir uns unter freiem Reisen vorstellen.
Darum los, weiter zum Eidersperrwerk. Das soll ja sehenswert sein.
Und … Wooow! Uns blieb der Mund offen sehen.
Das Sperrwerk ist imposant. Es schützt das gesamte Eidermündungsgebiet vor den Sturmfluten. Der Strassenverkehr wird in einem Tunnel durch das Sperrwerk geführt. An einem Ende können Schiffe die Sperre durch einen Kanal, der mit Schleusen versehen ist, passieren.
Wir kamen unverhofft in den Genuss einer weiteren Sehenswürdigkeit:
Auf beiden Seiten des Sperrwerkes brüteten Vögel. Südlich waren es Lachmöwen. Die meisten Küken waren bereits geschlüpft. Wir konnten beobachten, wie die verschieden grossen braungefleckten Jungvögel von ihren Eltern bewacht und mit kleinen Fischchen gefüttert wurden.
Auf der Nordseite, am anderen Ende des Tunnels, brüteten die Küstenseeschwalben. Diese Zugvögel verbringen den Sommer in der Arktis und den Winter in der Antarktis. Sie fliegen somit pro Jahr rund 30´000 Kilometer weit, Vielflieger bringen es sogar auf 80´000 Kilometer!
Dass die Küstenseeschwalben ihr Brutgebiet vehement verteidigen, erlebte Beat hautnah. Er wagte sich mit seinem Fotoapparat zu nahe an das Geländer, das den Weg vom Brutgebiet trennt, und wurde prompt angegriffen. Ein Vogel stürzte sich mit lautem Kreischen auf seinen Kopf und liess ihn Schnabel und Krallen spüren. Nach dieser Attacke fühlte sich Beat nicht nur, sondern er war auch – im wahrsten Sinne des Wortes – verschissen.
Danach fuhren wir weiter zum Tümlauer-Koog. (Koog nennt sich das Land, das von den Menschen dem Meer abgetrotzt worden ist.) Dort liegen einige der letzten grossflächigen Salzwiesen hinter dem Deich.
„Venedig des Nordens“
8. Juni 2014
Heute endete unser Ausflug an die Nordsee. Wir fuhren über Friedrichstadt zurück nach Engelau. Friedrichstadt wird auch Venedig des Nordens genannt. Das malerische Städtchen liegt am Zusammenfluss von Treene und Eider und wird von einigen Grachten durchzogen. Wer an einem der Kanäle wohnt, hat vor dem Haus die Strasse und hinter dem Haus einen Schiffssteg mit eigenem Boot. Am Morgen muss er sich dann jeweils entscheiden, ob er mit dem Auto oder dem Boot zur Arbeit fahren will.
Ja, so ist es halt: Andere Wohnorte – andere Probleme!
danke für diesen anschaulich illustrierten reisebericht!
in der gegend waren wir auch schon. ich liebe diese gegend sehr.
in husum lebt (glaube ich) ein krimiautor, von dem ich schon paar bücher gelesen habe.
geniesst die reise und erzählt weiter!
(mail folgt die tage!)